Von weltweit 65,6 Millionen Geflüchteten lebt heute etwa ein Viertel, 16,4 Millionen, auf dem afrikanischen Kontinent. Damit ist Afrika im globalen Vergleich die Weltregion mit den umfangreichsten Fluchtbewegungen.
Mehrere Millionen afrikanische Migranten, die nur auf eine Gelegenheit warten, sich mit dem Boot auf den Weg nach Europa zu machen – das ist die dominante Vorstellung, wenn es um Migration aus Afrika geht. Sie blendet einen wichtigen Aspekt aus: Der Großteil der Migrationsbewegungen verläuft zwischen einzelnen afrikanischen Staaten. Kontinentale Grenzen werden nur vergleichsweise selten überschritten, nicht zuletzt, weil Migration über große Distanzen ein teures Projekt ist, das sich nur wenige leisten können In einer Vielzahl afrikanischer Staaten sind Flucht und Vertreibung feste Bestandteile post/kolonialer Gesellschaften und prägen seit Jahrzehnten Politik, sowie Raum- und Sozialstruktur: Die wahre “Flüchtlingskrise” spielt sich nicht in Europa, sondern in Afrika ab.
Heute sind insgesamt 16,4 Millionen Menschen in Afrika auf der Flucht. Das entspricht etwa der Bevölkerung der Niederlande. Doch nur ein geringer Teil davon – ca. 5,1 Millionen – sind auch rechtlich gesehen "Flüchtlinge", also Menschen, die auf ihrer Flucht eine Staatsgrenze überschritten haben. Die große Mehrheit der Geflüchteten in Afrika südlich der Sahara sind Binnenvertriebene, sogenannte internally displaced persons (IDPs). Sie mussten aufgrund von Konflikten, Gewalt oder Naturkatastrophen ihre Heimatorte verlassen, verbleiben aber innerhalb der Grenzen ihres eigenen Landes und können somit keinen Asylantrag in einem anderen Land stellen. Dies betrifft heute 75 Prozent aller afrikanischen Vertriebenen, also fast 12,2 Millionen Menschen. 85 Prozent dieser IDPs finden sich in nur fünf Ländern, die allesamt von innerstaatlichen Konflikten betroffen sind: Sudan (3,3 Millionen), Demokratische Republik Kongo (2,2 Millionen),Südsudan (1,8 Millionen), Nigeria (1,9 Millionen) und Somalia (1,1 Millionen). Trotz ihrer großen Zahl und ihrer tagtäglichen, mit Gewalt und Vertreibung in Zusammenhang stehenden Herausforderungen, geraten diese IDPs häufig in Vergessenheit. Das UN-Flüchtlingshilfswerk bilanziert, dass es allein im Jahr 2015 auf dem afrikanischen Kontinent zwölf neue Flüchtlingslager errichtet hat.
Viele dieser afrikanische Flüchtlingslager zählen heute zu größten der Welt: Bidi Bidi (272.000 Bewohner) in Uganda, Dadaab (240.000) und Kalobeyei/Kakuma (185.000) in Kenia, Dollo Ado/Melkadida (200.000) in Äthiopien und Nyarugusu (134.000) in Tansania, um nur einige Beispiele zu nennen.